A torinói ló
Béla Tarr, Ágnes Hranitzky, Frankreich, Deutschland, Ungarn, Schweiz, 2011o
Seit Tagen fegt ein schwerer Sturm über das karge, kalte Land und wirbelt trockenes Laub auf. Der alte Ohlsdorfer und seine Tochter verlassen kaum mehr ihr einsam gelegenes, halb verfallenenes Gehöft. Sie sprechen kaum und erledigen die immer gleichen Handgriffe: Sie hilft ihm beim Ankleiden, holt Wasser aus dem Brunnen, schürt das Feuer, kocht Kartoffeln. Sie trinken Schnaps, sie essen und schauen abwechselnd aus dem Fenster auf den andauernden Sturm. Doch das Pferd, das gelegentlich das Fuhrwerk zieht, frißt plötzlich nicht mehr. Ein Nachbar hält eine apokalyptische Rede, Zigeuner tauchen auf und werden gleich wieder verjagt. Als der Brunnen am nächsten Tag ausgetrocknet ist, beschließt Ohlsdorfer, den Hof trotz des Sturms zu verlassen ...
Ein spätes Glanzstück des ungarischen Regisseurs Béla Tarr («Sátántangó»). Gekonnt setzt er seine visuelle Signatur -- nuanciertes Schwarzweiss, lange Kamerabewegungen, repetitive Musikmotive -- ein, um Menschen ein filmisches Denkmal zu errichten, die ihre Würde behaupten, obschon Nebel und Wind in ihre Seelen gedrungen sind. Meisterhaft umgarnt die Kamera von Fred Kelemen anfangs den tierischen Titelhelden, bevor der mit dem Silbernen Bären geehrte Film am Schluss in der Dunkelheit versinkt. Laut Béla Tarr ist es sein letzter. So 12.15 Uhr.
Pascal Blum